Großensee -Leben im permanenten Ausnahmezustand
Während das hessische Kleinensee nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die amerikanische Besatzungszone fiel, lag der Nachbarort Großensee in Thüringen und damit auf dem Gebiet der späteren DDR. Bewaffnete Grenztruppen, (tödliche) Fluchtversuche und Stacheldraht gehörten für viele Jahrzehnte zum Alltag eines Dorfes im Ausnahmezustand.
Nur wenige hundert Meter hinter Großensee verlief die deutsch-deutsche Grenze. Der „Eiserne Vorhang“ trennte nicht nur zwei unterschiedliche politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme, sondern auch ehemalige Nachbarn. Seit 1952 lag Großensee im sogenannten „Schutzstreifen“ entlang der Grenze. Besuche ohne Genehmigung und Passierschein waren verboten. Ein organisiertes Grenzregime und weitläufige Sperranlagen sollten die Massenabwanderungen aus der DDR in Richtung Bundesrepublik unterbinden.
Zu Beginn der 1970er Jahre wurde die Situation noch verschärft: Auf Veranlassung der DDR-Staatsführung wurden die alten Grenzbefestigungen durch eine mehr als einen Kilometer lange Betonmauer ersetzt. Der Nachbarort Kleinensee lag zwar nach wie vor nur einen Katzensprung entfernt, rückte nun aber in verborgene Ferne.
Heute kaum mehr vorstellbare Extreme prägten das Leben in der „Sperrzone“, die Ausgangspunkt vieler Fluchtversuche war. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Großensee lebten in ständiger Unsicherheit und Anspannung. Immer wieder wurden unliebsame Personen zwangsweise umquartiert, die Bevölkerung wurde überwacht und schikaniert. Ausgangssperren und Patrouillen beschränkten die Freiheit der Frauen, Männer und Kinder. Erst im Winter des Jahres 1989 wurde ein Grenzübergang eingerichtet, nachdem es auch im Werratal Proteste gegeben hatte. Nach Jahren im Ausnahmezustand kehrte allmählich Ruhe in Großensee ein.
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